Ein Beitrag von
Jürgen Großkopf-Dibs,
Partner bei MUNKERT & PARTNER
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater
Ein zentraler Aspekt der Nachfolgeplanung liegt erfahrungsgemäß bei der Betrachtung der mit einem Vermögensübergang einhergehenden steuerlichen Folgen nach dem Erbschaftsteuergesetz einerseits sowie dem Einkommensteuergesetz andererseits. Zwar lassen sich in der Praxis einige Nachfolgeszenarien hinsichtlich deren steuerlicher Auswirkung konkret zuordnen, allerdings haben Erbschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits Berührungspunkte, da beide Steuerarten auf denselben Steuergegenstand – den Vermögenszuwachs beim Erwerber – zugreifen. Nach wie vor fehlt es an einer gesetzlichen Rangordnung zwischen den beiden Steuerarten, so dass das Verhältnis zwischen dem Erbschaftsteuer-/Schenkungsteuerrecht auf der einen Seite und dem Einkommensteuerrecht auf der anderen Seite als noch nicht abschließend geklärt bezeichnet werden kann.
Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, dass sämtliche Steuern gegenseitig aufeinander abgestimmt sein müssen oder dass eine mehrfache Steuerbelastung vermieden werden muss, existiert nicht. Das Bundesverfassungsgericht sieht vielmehr einen großen Ermessensspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich des Steuergegenstandes und des Steuersatzes. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, dass mehrere Steuern an denselben Sachverhalt bzw. Steuergegenstand anknüpfen. Verfassungsrechtlich bildet lediglich die sogenannte unzulässige Übermaßbesteuerung nach Artikel 14 Grundgesetz eine Grenze, d. h. dass faktisch erst innerhalb der jeweiligen Steuerart eine Bindung an die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit erzeugt wird.
Die finanzgerichtliche Rechtsprechung lässt in letzter Zeit eine gewisse Entscheidungslinie im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Erbschaft- und Schenkungsteuer einerseits sowie Einkommensteuer andererseits erkennen. Vereinfacht gesagt, wird dabei im Hinblick auf die Abgrenzung beider Steuerarten allgemein davon ausgegangen, dass die Einkommensteuer den entgeltlichen Leistungszuwachs aufgrund einer Marktteilnahme erfasst und die Erbschaft- und Schenkungsteuer hingegen die unentgeltliche Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Folge einer Zuwendung.
Auf Grundlage dieser Abgrenzungsmöglichkeit könnte demnach gefolgert werden, dass ein Vermögenszuwachs entweder durch entsprechenden Arbeits- oder Vermögenseinsatz erfolgt ist oder aber andererseits geschenkt oder vererbt wurde und somit eigentlich nicht gleichzeitig entgeltlich und unentgeltlich erfolgt sein kann. Trotz dieser Abgrenzung sind bislang diverse Einzelfragen ungeklärt, so dass dennoch eine doppelte Erfassung durch beide Steuerarten denkbar bzw. nicht ausgeschlossen erscheint. In diesem Zusammenhang erscheint erwähnenswert, dass die Finanzverwaltung nicht sämtlichen Entscheidungen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung folgt und dass die Festsetzung eines Vermögenszuwachses im Rahmen einer Steuerart einer Berücksichtigung im Rahmen der jeweils anderen Steuerart nicht entgegensteht, d. h. dass durch eine rechtswidrige Besteuerung eines Vorgangs kein Vertrauenstatbestand derart geschaffen wird, der von einer späteren Einbeziehung des Vermögenszuwachses in die jeweils andere Steuerart schützt. Aus diesem Grund ist in der Praxis regelmäßig die Offenhaltung von Einkommensteuer- als auch Erbschaftsteuer-/Schen-kungsteuerbescheiden regelmäßig bis zur Klärung sämtlicher Streitfragen zu empfehlen.
Auch wenn infolge der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien einige praxisrelevante Einzelfragen (insbesondere im Zusammenhang mit einem Ausscheiden aus Gesellschaften) geklärt wurden, bestehen weiterhin noch ungelöste Fragestellungen, die sich insbesondere auch in folgenden Sachverhalten zeigen.
Nach § 35b EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens auf Antrag Einkünfte zu ermäßigen, die im selben Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Hierdurch ist eine Abmilderung der Doppelerfassung durch Einkommensteuer und Erbschaftsteuer denkbar.
Zu beachten ist jedoch, dass § 35b EStG voraussetzt, dass die betroffenen Einkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Umgekehrt kann damit die Steuerermäßigung gerade nicht gewährt werden, wenn die Einkünfte dem Abgeltungsteuersatz von 25 % unterliegen. Damit ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass mit dem Abgeltungsteuersatz nicht nur ein etwaiger Werbungskostenabzug abgegolten sein soll (§ 20 Abs. 9 EStG), sondern auch die Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer. Dies hat faktisch die Erhöhung des Abgeltungsteuersatzes zur Folge.
Eine Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35b EStG erfolgt auf Antrag in der Weise, dass ein erbschaftsteuerlicher Durchschnittssteuersatz, der auf die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte entfällt, die schon Bestandteil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage waren, von dem anteiligen Einkommensteuertarif abgezogen wird. Die auf die begünstigten Einkünfte entfallende anteilige Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte zu ermitteln.
Zu beachten gilt ferner, dass die Steuerermäßigung nach § 35b EStG nach deren eindeutigem Wortlaut keine Anwendung in Schenkungsfällen findet. Dies wird damit begründet, dass bei Schenkungen unter Lebenden größere Gestaltungsspielräume bestehen als in Erbfällen, z. B. insbesondere ein rechtzeitiger Wechsel zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG oder die Realisierung stiller Reserven durch den Schenker denkbar ist.
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