Bundesverfassungs-
gericht entscheidet über Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen

23.08.2021

Zinssatz von jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig und ab dem Jahr 2019 unanwendbar

Mit dem kürzlich am 18. August 2021 veröffentlichten Beschluss (vom 08. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

Nach den Urteilsgründen stellt die Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar. Im Hinblick auf eine in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsung sieht das BVerfG diese Ungleichbehandlung gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch als verfassungsgemäß – für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungswidrig.

Das BVerfG sieht in Form einer Vollverzinsung zu einem niedrigeren Zinssatz ein Mittel, welches zu einer geringeren Ungleichheit führt und dabei mindestens ebenso gleich geeignet ist, den Gesetzeszweck zu fördern.

Ferner stellt das BVerfG fest, dass die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz aufgrund des einheitlichen Regelungskonzepts der Verzinsung ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen umfasst und das bisherige Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar ist.

Fazit

Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die bislang geltenden Vorschriften zum Zinssatz im Rahmen der Vollverzinsung nach Auffassung des BVerfG unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Es bleibt abzuwarten, ob auch hinsichtlich anderer Zinsvorgaben, beispielsweise im Rahmen der Pensionszusagen und bei der Bewertung von wiederkehrenden Leistungen Neuregelungen auf dem Schirm des Gesetzgebers sind, da diese ebenfalls häufig in Streit stehen.

Ein Beitrag von Jürgen Großkopf-Dibs, Partner bei MUNKERT & PARTNER
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater

Weiteres aus Aktuelles/News

28.03.2024

Frohe Ostern!

Das MUNKERT & PARTNER Team wünscht Ihnen und Ihrer Familie ein frohes Osterfest und noch eine wunderschöne Frühlingszeit!

14.03.2024

Hybrider Berufsbasar der Wirtschaftsschule Nürnberg 2024 – MUNKERT & PARTNER ist dabei!

Am 1. März 2024 fand die Präsenzveranstaltung zum Berufsbasar der Wirtschaftsschule Nürnberg statt. Vom 4. März bis 1. August 2024 läuft der Berufsbasar in digitaler Form weiter und bietet weiterhin die Möglichkeit sich über Ausbildungsangebote in der Region zu informieren.

12.03.2024

Besteuerung der Energiepreispauschale fraglich

Ab September 2022 wurde die Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300 Euro als Kompensation für die hohen Energiekosten ausgezahlt. Von der Einmalzahlung profitierten Erwerbstätige, Rentner und Selbstständige.